Manaslu 2017

Der Manaslu ist mit 8163 Meter der achthöchste Berg unserer Erde. Sein Name kommt aus dem Sanskrit und bedeutet „Berg der Seele“. Der ebenso für den Manaslu gebräuchliche Name Kutang leitet sich aus dem Tibetischen („tang“, die Ebene) ab und bezieht sich auf das große Gipfelplateau, das gerade von Norden gesehen, besonders hervorstechend ist. Der Manaslu liegt im Mansiri Himal weit westlich in Nepal und wird im Südosten vom Ganesh Himal, im Nordwesten vom Annapurna Massiv begrenzt. Bekannt ist er deutschen Sprachkreisen durch das seit je her starke mitteleuropäische Engagement in der Besteigungsgeschichte des Berges und auch durch die beliebte klassische Manaslu-Umrundung, eine Trekkingrunde, die durch das Tal des Buri Gandaki über den Larkya-Pass in das Marsyangdi-Tal führt. Ziel der Expedition ist es, über die Nordostflanke des Berges zum Gipfel aufzusteigen.

Galerie

Historie

Historie

Wenn der Nanga Parbat der „deutsche Schicksalsberg“ und der Dhaulagiri der „Schweizer Achttausender“ ist, dann ist der Manaslu vermutlich der Berg der Japaner. Am Beginn der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts fanden die ersten Erkundungen am Berg statt, ein führender Kopf hierbei war der bekannte englische Forschungsreisende und Bergsteiger Bill Tilman. Die folgenden Jahre gehörten dann ausschließlich den Japanern, die gleich mehrere Expeditionen aussandten, um einen gangbaren Weg über die Nordseite oder den Ostgrat zum Gipfel zu finden. Am 9. Mai 1956 schließlich gelang es T. Imanishi und Sherpa Gyaltsen Norbu unter der Expeditionsleitung von Y. Maki den Gipfel des Achttausenders zu besteigen. Wenige Tage später, am 11. Mai, folgten die japanischen Teamkollegen K. Kato und M. Higeta. Wiederum war es Reinhold Messner, der 1972 im Rahmen einer österreichischen Expedition zur Südwestwand des Berges, die erste Besteigung ohne künstlichen Sauerstoff für sich verbuchen konnte. 1981 realisierten P. Wörgötter und J. Millinger die erste Skiabfahrt am Manaslu aus 8125 m Höhe, damals die erste Skibefahrung eines Achttausenders. Seit den neunziger Jahren mehren sich die Besteigungsversuche am Berg deutlich, nach den jüngsten Einschränkungen und Verteuerungen bei den hohen Bergen Tibets gilt der Manaslu heute gar als „der“ Einsteiger-Achttausender schlechthin.

Unter himalaya-info.org findet sich eine gute Zusammenfassung der kompletten Besteigungsgeschichte.

Route

Route

Der Gletscherbeginn ist vom Basislager (4.850 m) schnell erreicht, nachdem man den Moränenrücken, auf dem sich der Lagerplatz befindet, hinter sich gelassen hat. Der Weg über den Gletscher ist zunächst flach, jedoch müssen zahlreiche Spalten umgangen oder überquert werden, bis der Platz des ersten Hochlagers (C1, 5.600 m) auf einem felsigen Grat-Ausläufer erreicht ist. Zum Hochlager 2 (C2, 6.400 m) wird das Gelände nun zunehmend steiler und zerklüfteter. Zunächst aber führt eine lange Querung Richtung Nordost auf den Beginn einer Gletscherrampe zu. Hier ist große Vorsicht vor möglichem Eisschlag und entsprechende Eile geboten. Ein Eisbruch mit zahlreichen Seracs und Steilaufschwüngen muss nun über eine Rampe durchstiegen werden, um auf die oberen Eisfelder des Manaslu zu gelangen.  Üblicherweise werden zahlreiche Fixseile an den Steilstufen und Spaltenpassagen angebracht, zum Teil sind sogar Alu-Leitern notwendig. Genau hier befinden sich auch die großen Serac-Abbrüche, die für den Eisschlag auf der Querung zu Beginn der Etappe sorgen. Nachdem wieder etwas flacheres Gelände erreicht ist, wird das zweite Hochlager auf einer der Gletscherterrassen unterhalb der weitläufigen Hänge des Nordsattels auf ca. 6.400 Meter Höhe errichtet. Die dritte Etappe führt weit nach rechts ausholend, über eine Serie von kurzen Steilstufen und Flachstücken unter den ziselierten Gipfelflanken des Manaslu North (6.994 m) hindurch, bis nahezu der Nordsattel (ca. 7.000 m) erreicht ist. Knapp unterhalb des Sattels lässt sich geschützt auf kleinen Gletscherterrassen das dritte Hochlager (6.800 m) errichten. Nach der Überschreitung des Nord-Sattels muss eine immer steiler werdende Schneeflanke erstiegen und ein Hängegletscher gequert werden (zahlreiche Fixseile), dann gelangt man auf das große Gipfelplateau und errichtet dort das dritte Hochlager (C3, 7400 m) in einer seichten, windexponierten Mulde ganz am nördlichen Ende des Plateaus. Auf der Gipfeletappe führen weite, wenig steile Schneehänge, unterbrochen von zwei Steilstufen (50/150 Hm) in nordwestlicher Richtung empor, bis die Steilflanke des Gipfelstocks erreicht ist. Über einen letzten Steilhang wird eine kleine Einsattelung erreicht, von der ein langgezogener Schneegrat zunächst zum schneebedeckten Vorgipfel, dann über eine kleine Einschartung zum exponierten Hauptgipfel (8.163 m) führt.

Ablauf

Traumwetter am „Berg der Stürme“

Am 30. August 2017 verlassen wir mit unseren 12 Teilnehmern der Amical alpin Expedition Deutschland und reisen nach Kathmandu, Nepal. Nach einem Tag Vorbereitungen und dem obligatorischen Expeditionsbriefing beim Tourismusministerium können wir bereits tags darauf die Weiterreise antreten. Das Wetter ist wechselhaft, der Monsun noch deutlich zu spüren. Häufig regnet es nachts wie aus Kübeln. Daher sind auch die Straßen in schlechtem Zustand, als wir am nächsten Tag über Besisahar ins Marsyangdi-Tal nach Dharapani (1.860 m) fahren.

Ein kurzes Trekking führt uns über Goa nach Bimthang (3.700 m), wo wir einen weiteren Tag zur Akklimatisation verbringen, ehe wir uns an die Überschreitung des Larkya La (5.135 m) machen und nach Samdo (3.850 m) absteigen. In Bimthang haben wir uns von einigen unserer Träger einen grippalen Infekt zugezogen, der schon vor der Passüberschreitung für die ersten Ausfälle sorgt. Dominic muss krank zurückbleiben und sich erst einmal vom Fieber erholen, ehe er nachfolgen kann. Auch einige andere verspüren schon erste Symptome. Ein weiterer Tag bringt uns nach Samagaon (3.530 m) am Fuße des Manaslu. Dort verbringen wir weitere zwei Akklimatisationstage, auch, um den mittlerweile mehreren Kranken etwas mehr Zeit zu verschaffen, sich besser erholen zu können.

Am 10. September müssen wir dann aber doch langsam mit den Gesunden ins Basislager (4.850 m) aufsteigen, um dort nach dem Rechten zu sehen und weitere Vorbereitungen für das Einrichten der Route zu beginnen. Dank der in den vergangenen Tagen erworbenen Akklimatisation fühlen wir uns dort oben sofort wohl. Durch die Sperrung der tibetischen Achttausender im Nachmonsun, haben sich viele Bergsteiger auf den Manaslu verlegt. Die Konsequenz sind 400 –anstelle von 40 Bergsteigern im Vormonsun 2012 – im Basislager des Manaslu. Die meisten sind uns zeitlich um ein oder zwei Wochen voraus. Dies sollte, im Nachhinein betrachtet, unser Glück sein, da wir so um den großen Andrang herumkommen. Nach einer schönen Puja im dichten Schneefall machen wir uns wenig später an die Arbeit. Der flache Manaslu Glacier, der zum Fuß der Steilwand der Nordostflanke leitet, gleicht einem Schweizerkäse. Spalte reiht sich an Spalte, schon hier sind viele hundert Meter Fixseil verlegt. Hochlager 1 (5.600 m) richten wir noch unterhalb des Felsgrates ein, da sämtliche Lagerplätze weiter oben bereits durch große Gruppen belegt sind. Auch der Weiterweg wird nicht einfacher. Nach einer, von Eisschlag bedrohten Querung, beginnt der Gletscherbruch der „Rampe“. Mehrere Steilaufschwünge mit bis zu 70 Grad Neigung, unterbrochen von kleinen Plateaus, führen über die erste Stufe der Nordostflanke. Sobald sich die Neigung des Hängegletschers zurücklegt, richten wir unser C2 (6.300 m) auf der untersten Terrasse von mehreren folgenden ein – der sicherste Platz, sollte etwas von oben kommen. Sobald wir unsere 4 Zelte aufgestellt haben, machen wir uns wieder an den Abstieg. Mittlerweile quält sich ein ganzer Rattenschwanz an Chinesen – die meisten mit O2-Maske – durch die Route, auf den Abseilpisten können wir sie aber an den Engstellen schnell passieren. Etwa ¾ aller Gipfelaspiranten sind diese Saison mit Flaschensauerstoff unterwegs, viele schon ab C2 oder C1.

Nach ein, zwei Ruhetagen im Basislager, müssen wir uns erneut auf den Weg durch die Lagerkette machen, um unser drittes Hochlager einzurichten. Vom C2 (6.300 m) führt die Route heutzutage in einer weiten Rechts-Links-Schleife nahe an den steilen Riffeleiswänden des Manaslu North (6.994 m) vorbei, um den lawinengefährdeten Gletscherkessel in der Mitte der NO-Flanke zu vermeiden. Hier war es im Herbst 2012 zu einem folgenschweren Unglück mit 11 Toten gekommen, als sich unvermittelt eine Lawine vom Gipfelplateau gelöst hatte. Durch mehrere kleine Steilaufschwünge unterbrochen, führt die ansonsten gut gangbare Route bis ins Col zwischen Manaslu und Manaslu North, in dessen Nähe üblicherweise das dritte Hochlager, C3 (6.700-6.900 m) errichtet wird. Sobald unsere Zelte aufgestellt und das Material deponiert ist, begeben wir uns wieder auf den Abstieg, der uns über C1 anderntags zurück ins Basislager führt.

Während der folgenden drei Ruhetage tanken wir unsere Kräfte wieder auf und legen unsere Gipfelstrategie fest. Ein ungewöhnlich langes Fenster mit gutem Wetter und niedrigen Windgeschwindigkeiten lässt uns den Gipfeltag beinahe beliebig bestimmen. Wie üblich, hat sich das Gros der Expeditionsteams bereits die erste Gelegenheit zum Gipfelgang geschnappt. Deren Teilnehmer kehren nun einer nach dem anderen täglich erschöpft vom Berg zurück und finden sich wieder im Basislager ein. Leider hat die Infektion, die wir uns in den ersten Tagen der Reise eingehandelt haben, ihre Opfer gekostet. Dominic, Horst und beide Gerhards mussten enttäuscht den frühzeitigen Heimweg antreten, nachdem sie sich nicht ausreichend auskurieren konnten. Nach den krankheitsbedingten Ausfällen sind wir nun noch zu neunt, die es versuchen wollen: Manfred, Nici, Christian, Jörg, Hage, Volker, Matthias, Alix und ich.

Am 26. September brechen wir nach C1 auf, zwei Tage später erreichen wir unser C3 auf 6.720 m. Der Weiterweg zum letzten Hochlager, C4 (7.425 m) wird nochmals anstrengend. Beladen mit Zelten und Material, das wir vom dritten Hochlager umziehen, mühen sich unsere drei Climbing Sherpas Pema, Jangbu sowie Lhakpa und wir über die immer steiler werdende Flanke und den zerrissenen Gletscherbruch zum Abbruch des Gipfelplateaus hinauf. Auf dessen nördlicher Schulter befindet sich ein kleiner, zugiger Gletscherkessel, in dem die Zelte ein letztes Mal aufgestellt werden. Die Nacht ist kurz und windig. Bereits um 2.00 Uhr wird wieder aufgestanden, um 4.00 Uhr steht alles abmarschbereit vor den Zelten. Der Wind ist noch immer kalt und kräftig, mehr als 40 km/h dürften es wohl sein. Ein kurzer Hang führt auf das weitläufige Gipfelplateau hinauf, darauf folgt die erste Ebene. Bereits hier hat der Wind deutlich nachgelassen, beträgt vielleicht noch 20 Km/h, und wird im Tagesverlauf immer schwächer. Die vorausgehenden Spanier bremsen uns etwas, doch wir haben abgesprochen, dass wir erst ab der Hälfte übernehmen. An der nächsten Steilstufe ist es längst hell. Etwa 150 Meter führt sie fixseilversichert hinauf und nach links, ehe das Gelände wieder flacher wird und in die zweite Ebene übergeht. Ein letztes Mal steilt sich der Hang unmittelbar unterhalb des felsigen Gipfelaufbaus auf. Hier hat es etwas eingeblasen und ist mühsamer zu gehen. Dann stehen wir vor dem felsigen Vorgipfel, um ihn herum über ein Joch und die letzten Meter über einen exponierten Grat auf den Hauptgipfel hinauf. Geschlossen kommen wir nach gut 8 h Gehzeit am 30. September gegen 13.00 Uhr am Gipfel an. Bestes Wetter, nahezu windstill, warm und sonnig. Und nahezu menschenleer, bis auf die kleine spanische Gruppe sind kaum andere Bergsteiger unterwegs. Wir freuen uns wie die Schneekönige!

14.00 Uhr verlassen die letzten den Gipfel und wir steigen in Kleingruppen zum letzten Lager ab, das wir 16.00 Uhr erreichen. Einige sind nun doch so erschöpft, dass wir beschließen, noch eine weitere Nacht in C4 zu verbringen. Am nächsten Tag geht es über die verlassene Route bis ins Basislager hinab, in dem wir den Gipfelerfolg gebührend mit Sekt, Bier und gutem Essen feiern können.

Schon zwei Tage später finden wir uns in Samagaon (3.530 m) wieder und checken in unserer Lodge ein. Alle sind gesund vom Berg zurückgekehrt, es hat keine Unfälle gegeben und wir konnten zusammen einen wundervollen Gipfeltag genießen. Nach unserem persönlichen Debakel 2012 kurz unterhalb des Gipfels, hat sich der Manaslu dieses Jahr versöhnlich gezeigt und wir haben wieder unseren Frieden mit ihm geschlossen!